Sonntag, 5. Dezember 2010

Die Rollen bei der Ernte-Arbeit

Rolle 1: Der Gemütliche, aber trotzdem hoch konzentrierte: Der Traktorfahrer. Die Rolle des Traktorfahrers sieht auf den ersten Blick äußerst einfach aus, ist es aber nicht. Der Fahrer manövriert den Asbach uralten Traktor durch die buckligen und engen Reihen und achtet dabei ständig auf die Pflücker, die hinter ihm gehen und die Ernte in den Container legen, der am Traktor hängt. Der Fahrer muss also ein geeignetes Tempo finden und beim Vorwärts-Fahren ständig den Blick nach hinten haben. Ist der Container voll, muss er diesen zum Ausgang des Feldes bringen und dort zu den anderen Containern stapeln. Abschalten sollte man dabei nicht, da man dann großen Ärger mit den Pflückern bekommt.

Rolle 2: Der Tapfer-Sportliche: Der Pflücker. Diese Rolle verlangt Sportlichkeit und Belastbarkeit im extremen Maße. Man geht oder kriecht vielmehr in ständig gebückter Haltung durch die Reihen (Auberginenpflanzen sind bis zu 2,5 m hohe Büsche und die Früchte wachsen in jeder Höhe). Mit einer Art Gartenschere werden die Auberginen abgeschnitten. Da muss schon ab und zu mal ein Stück Finger mit dran glauben. Die Sonne knallt. 45°C und keine Wolke am Himmel. Man muss ständig am Traktor dran bleiben, also nix mit mal ausruhen oder so. Und dann kommt noch der Boss zum Kontrollieren und schaut sich mit kritischem Blick das Gepflückte an und sagt, dass die falschen Auberginen geerntet wurden und die Reihe nochmal abgefahren wird. Kurz: Die Pflücker sind wohl die „ärmsten Schweine“, wenn man das so milde ausdrücken darf.

Rolle 3: Der Sorgfältige: Der Wäscher. Die Rolle des Wäschers hat schonmal den großen Vorteil, dass sie im Schatten – nämlich im Schuppen - stattfindet. Die geernteten Auberginen werden in einer Art Badewanne mit Schaumbad gewaschen und anschließend sortiert. Die Wanne ist nicht allzu hoch, sodass man schonmal mit Rückenschmerzen zu kämpfen hat. Sorgfältig muss man die guten von den schlechten trennen, eventuell lange Stielenden abschneiden und die Auberginen behutsam in die Container zurück legen.

Rolle 4: Der Gut-Koordinierte: Der Container-Transportierer. Diese Rolle braucht viel Fingerspitzengefühl beim Stapeln der Container und ein gutes Zeitmanagement (ja das wird auch auf einer Farm gebraucht!), damit die vollen Container rechtzeitig beim Waschen sind und die leeren wieder auf dem Feld. Arbeitsgerät ist natürlich der Gabelstapler.

Rolle 5: Der „Ich bestimme, was gepflückt wird“: Der Chef

So und nun lass ich das Rätsel offen, was wohl meine Haupt-Rolle hier ist. Kleiner Hinweis: es ist nicht Rolle 5.

Der beste Weg "Teamwork" zu begreifen

Wenn man am Morgen gesagt bekommt, dass man Feierabend hat, wenn das Feld beendet ist, d.h. alle Reihen beschnitten sind und man dann am Mittag verzweifelt feststellt, dass man sage und schreibe 4 von 25 Reihen geschafft hat und die Sonne knallt bei 40°C und der Rücken weh tut und die Blasen an den Fingern anfangen aufzuplatzen und man die Worte des Chefs im Hinterkopf hat „Ihr könnt solange für mich arbeiten, wie ihr gut genug seid“ und man über die Reihen schaut und nur noch grüne Blätter sieht und man sich nächstes Jahr noch auf diesem Feld Blätter schneiden sieht, wenn man dann plötzlich wie in letzter Rettung 6 Leute ankommen sieht, die alle mit anpacken und das Feld in 2 Stunden erledigt ist, dann, ja dann weiß auch der letzte „Ich mach mein eigenes Ding – Einzelkämpfer“, Teamwork zu schätzen.

Die Gemüsekette

Seitdem ich hier arbeite hat sich unter anderem meine Frage beantwortet, warum Gemüse so teuer ist. Meine Güte, wieviele Hände so eine Aubergine schon angefasst haben! Von wegen „Samen streuen und irgendwann ernten“. Da muss ja ständig etwas beschnitten und festgebunden und gespritzt werden. Dann wird auch nicht nur einmal durchgefahren und geerntet. Nein, da wird einmal nach Größe, dann nach Farbe, dann nach Griff geerntet. Es kann sogar vorkommen, dass es zu heiß zum Ernten ist. Nein, nicht wegen der Menschen, nein, wegen der Früchte, deren Griff dann beeinflusst ist. Dann werden die geernteten Auberginen abgespült, dann in einem Schaumbad gewaschen und dann nocheinmal abgespült. Zwischendurch werden natürlich die langen Stielenden abgeschnitten. Dann wieder nach Größe sortiert. Und dann noch fünf Mal hin und her geschoben und gestreichelt und dann irgendwann mal verpackt und versendet. Die vielen „dann“ in meiner Ausführung sind wahrscheinlich ein Graus für jeden Deutschlehrer, aber gehören hier einfach hin. Sehr interessant, diese Gemüsekette einmal mitzuerleben. Übrigens, die Auberginen sind am schmackhaftesten, wenn sie unten eine leichte helle Violettfärbung haben und oben am Stielansatz relativ flach sind.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Wenn man in die Region von Carnarvon fährt, sieht man bereits viele Felder mit verschiedenen Früchten und Gemüse. Genauso viele Schilder sieht man am Feldrand mit der Aufschrift „Sorry, no work“ oder „No jobs, don’t enter“. Wir haben uns davon aber nicht abschrecken lassen und sind trotzdem herum gefahren und haben überall nach Arbeit gefragt. Auf einem Grundstück haben wir uns nicht getraut auszusteigen, da uns ein bellender Hund entgegen gerannt kam. Wir sind also weiter gefahren und plötzlich haben wir ein Auto passiert, das angehalten hat und der Farmer in diesem Auto hat uns gefragt, ob wir Arbeit suchen, wir hätten ja schließlich schon auf seinem Grundstück gestanden. Und so bekamen wir unseren ersten Job auf einer Gemüsefarm. Der bellende Hund heißt Ginger und begrüßt uns jetzt jeden Morgen. Wir waren wohl zur richtigen Zeit am richtigen Ort, denn auf dieser Farm fragen jede Woche ca. 40 Personen nach Arbeit. Glück gehabt.