Mittwoch, 23. Februar 2011

Die fliegenden Ärzte


Wir waren nur ganz kurz in Alice Springs. Von dieser Stadt wird aber gesagt, dass es ganz schnell passieren kann, dass man nur 1 Woche bleiben wollte und dann den Rest des Lebens da verbringt. Es gibt wohl viele Gründe, warum man dort hängen bleibt. Einen finde ich besonders beeindruckend: Wenn man in Alice lebt, hat man die kürzeste Entfernung zu allen australischen Stränden! In Anbetracht der Tatsache, dass Alice im Zentrum Australiens liegt, ist das doch mal ein guter Grund. 

 „Wenn du eine Idee hast, kann dich nichts und niemand mehr aufhalten“ sagte John Flynn 1919. Gut, dass dieser Mann diese Einstellung hatte, denn John Flynn ist der Gründer des „Royal Flying Doctors Service“. 1928 gegründet, decken die fliegenden Ärzte nun 7.150.000km² ab. Flynn wollte einen „Mantel der Sicherheit“ für Menschen in abgelegenen Gebieten schaffen, die nicht den ärztlichen Service der Städte nutzen können. Der größte „Stein im Weg“ war anfangs die Kommunikation. Dieses Problem wurde aber von findigen Ingenieuren mit Radio und Telefon gelöst. Das erste Flugzeug wurde von einer unbekannten kleinen Fluglinie zur Verfügung gestellt. Diese ist heute die größte australische Fluggesellschaft und nennt sich Quantas. Der Zusatz „Royal“ wurde von der Queen 1955 vergeben. Heute kostet der Royal Flying Doctor Service 50 Mio. $ pro Jahr. Tägliche Betriebskosten werden vom Commonwealth und den Staats- und Landesregierungen getragen. Der Ersatz von Flugzeugen allerdings muss vom RFDS selbst bezahlt werden. Mit unserer Teilnahme an der Führung haben wir uns also auch am nächsten Flugzeug beteiligt, dass in ca. 15 Jahren Leben retten wird. Aktuell hat der RFDS 964 Mitarbeiter, 53 Flugzeuge, 25 Basisstationen über ganz Australien verteilt und 274.237 Patienten pro Jahr, darunter Einheimische, aber auch viele Reisende (v.a. Übermütige, die es mit dem Outback auf sich nehmen). Zum Service gehört unter anderem auch, dass ein Medikamentenkasten mit 100 Medikamenten an die Familien verteilt und immer wieder überprüft und aufgefüllt wird. Zur richtigen Handhabung sind Abbildungen des menschlichen Körpers in diesem Kasten und alle Medikamente sind nummeriert, sodass der Arzt auch Anweisung über’s Telefon geben kann, welches Medikament genommen werden muss. 

Es tümmeln sich viele Geschichten um den RFDS. Diese ist wohl die lustigste: „Der Doktor meinte, meine Frau soll 2 Tabletten von Nummer 9 nehmen. Diese waren aber leer, also gab ich ihr eine von Nummer 5 und eine von Nummer 4. Hat auch geholfen!“

MacDonnell Ranges


Diese Gebirgskette liegt westlich und östlich von Alice und wurde durch die gleiche Erdbewegung wie der Uluru und Kata Tjuta gebildet, vor 310 bis 340 Mio. Jahren, also als wir alle noch recht jung waren. Die traditionellen Eigentümer, die Aborigines vom Stamm der Arrernte, sind spirituell mit den Ranges verbunden. Dies sollte man immer im Hinterkopf haben, wenn man dieses Land betritt und einfache Regeln hinsichtlich des Respektes gegenüber Kultur und Religion beachten. Auf Wanderungen kann man tolle Zeitzeugen in der Natur finden, z.B. die Ocker-Pits. Diese sind eine wichtige Quelle der Aborigines für Ocker-Farben zur Felsmalerei. Man sieht deutlich die Schichten im Sandstein, von weiß über gelb zu rot.
Die Wanderung in der Ormiston-Schlucht ist ein Abenteuer. Man steigt zuerst auf den Gipfel und genießt die tolle Aussicht. Dann geht es gemächlich bergab und plötzlich gelangt man an einen Fluss und sucht vergeblich das nächste Wander-Zeichen. Schließlich entdeckt man ein Hinweis-Schild, dass man ab hier schwimmen muss! Der Fluss ist normalerweise ausgetrocknet, aber aufgrund des vielen Niederschlags dieses Jahr führt er jede Menge Wasser. Schwimmen ist ja kein Problem, aber mit Rucksack und Kamera doch etwas ungünstig. Also ging es den gekommenen Weg wieder zurück.






Kings Canyon


Auch wenn man noch in Trance des Uluru schwebt, muss man die nochmaligen 300km unbedingt auf sich nehmen um zum gewaltigen Kings Canyon zu gelangen. Man wird auf jeden Fall belohnt! Der 3-stündige Rundweg auf dem Kamm des Canyon ist atemberaubend. Zum einen, weil er sehr anstrengend ist, aber viel mehr aufgrund der Schönheit der Landschaft. Bei den hier herrschenden Temperaturen würde man in Deutschland wahrscheinlich sogar den Weg zum Schwimmbad als zu anstrengend empfinden und sich für einen Liegestuhl auf der schattigen Terrasse entscheiden (mal davon abgesehen, dass es in Deutschland nie so warm werden wird, auch wenn die Klimaerwärmung ihr Bestes tut). Aber hier geht man eben wandern. Man ist ja nicht zum „Im-Liegestuhl-Liegen“ hier. Abkühlen kann man sich auf halber Strecke im „Garten von Eden“, der seinem Namen alle Ehre macht. Ein Wasserbecken mitten im Canyon, gesäumt von Palmen.








Der Uluru und seine "Sorry-Rocks"


 „Schau dir den Sonnenaufgang am Morgen, den Sonnenuntergang am Abend und den Mondaufgang in der Nacht an. Wenn dich diese Dinge nicht abschalten lassen, dann gar nichts.“ (Zitat eines Einwohners Zentralaustraliens).

Im Roten Zentrum von Australien ruht er. Der 348m hohe Sandstein-Monolith (dessen Basis noch mindestens 6000m in die Tiefe reicht, weiter reichen die heutigen Messmöglichkeiten nicht). Der Ayers Rock oder um besser in der Sprache der Aborigines zu sprechen: der Uluru. Dass dieser hier ruht, ist der richtige Ausdruck, denn er lässt sich auch nicht von den 400.000 Besuchern im Jahr aus der Ruhe bringen. Er steht einfach da und strömt diese Energie aus. Da können noch so viele Touren-Busse ankommen, aus denen wuselige, nervöse Menschen aller Nationen heraus strömen, aufgeregt auf ihn zurennen als könnte er weglaufen und mit Blitzlichtgewitter bombardieren. Er steht wie ein Fels in der Brandung, Tag ein Tag aus und lässt sich nicht beeindrucken. Als wir ihn nach langer, langer, langer Fahrt durchs Outback plötzlich vom Highway aus erblickten, bekam ich Gänsehaut, trotz 35°C im Schatten! Man hat ja soviele Bilder schon gesehen und der Kopf ist voll von Vorstellungen. Man fühlt sich fast übersättigt und manche betrachten es als „Pflichtübung“, diesen „Berg“ zu besuchen, wenn man in Australien ist. Aber wenn man ihn dann vor sich hat, so gewaltig und wie aus dem Nichts dahin gesetzt, ist man einfach überwältigt und kein zuvor gesehenes Foto kann diesen Eindruck ersetzen. 

Auf dem 10km langen Base-Walk am Fuße des Monolithen entlang umrundeten wir den Uluru, begleitet von vielen Fliegen. Zur Zeit herrscht hier Nebensaison. Somit gibt es weniger Touristen, dafür aber mehr Fliegen, da es heißer und dieses Jahr auch besonders feucht ist. Ich habe mich noch nicht entschieden, ob mir 1000 Fliegen oder 1000 Touristen in meiner unmittelbaren Nähe lieber sind (ja, ja ich bin auch Tourist). Touristen fliegen mir zwar nicht in Mund, Nase, Ohren und Augen, aber Fliegen beschweren sich nicht über die Hitze trotz der Tatsache, dass wir uns nahe der Tropen befinden und Sommer ist! 

Auf einer weiteren von einem Ranger geführten Wanderung erfährt man sehr viel Wissenswertes über die Tradition und Kultur der Aborigines. Diese Wanderung darf man nicht verpassen. Läuft man um den Uluru herum, sieht man die verschiedene Flora und Fauna, hat aber keine Ahnung, wie lebensnotwendig diese sein kann und Wasserlöcher, Bäume, Beeren und Früchte zum Überleben genutzt werden. Man bekommt ein Gefühl dafür, wie heilig dieser Monolith für die Ureinwohner sein muss und weiß die Umgebung ganz anders zu schätzen.  
Als wir den Sonnenuntergang bestaunen wollten, gab es jede Menge Wolken, sodass wir nicht die von Bildern vertraute glutrote Farbe erlebt haben und trotzdem versetzt es einen in Staunen, einfach nur dazustehen und diesen Monolith zu betrachten. Überwältigend.
Die Regelmäßigkeit hier in Zentralaustralien besteht darin, dass der Niederschlag ganz unregelmäßig auftritt. Es kann 7 Jahre keinen Regen geben und dann ein Jahr, in dem es drei Mal soviel regnet wie der Durchschnitt vieler Jahre beträgt. Dieses Jahr ist eher ein „nasses Jahr“ und somit grünt alles. 

1985 wurde das Land an die traditionellen Eigentümer, die Anangu-Aborigines zurück gegeben, nach jahrelangen harten Kämpfen. Diese wiederum verpachten es seitdem für 99 Jahre an die Regierung, sodass das Land überhaupt zugänglich für „den Rest der Welt“ ist. Die Anangu verwalten nun den Uluru – Kata-Tjuta Nationalpark zusammen mit der Direktion der Nationalparks. Die Mehrheit dieses Rats obliegt den Aborigines.

Ein absolutes Tabu ist die Besteigung des Uluru! Kulturelle, aber auch Sicherheits- und Umweltgründe verbieten es einfach. Das Heiligtum der Aborigines sollte respektiert werden. Darüber hinaus sind bereits 35 Personen bei dem Versuch, den Monolithen zu besteigen, ums Leben gekommen. Die Aborigines fühlen sich verantwortlich. Sie sagen, der Uluru soll Freude und Leben spenden und nicht den Tod herbeiführen. Schließlich wird die Natur beeinflusst. Nach 3 Stunden Besteigung muss wohl jeder auf die Toilette, die es aber auf dem Gipfel nicht gibt. Somit rinnt immer wieder sehr viel Flüssigkeit den Berg hinab und verunreinigt die umliegenden Wasserlöcher, die so lebenswichtig für die Natur sind. Genug Gründe, um auf dem Boden zu bleiben!

Aus Sicht der Aborigines wurde das Land von ihren Schöpfungsvorfahren geschaffen mit all seinen Gesetzen und seiner Kultur. Tjukurpa – ihr traditionelles Gesetz - wird von Großeltern weitergegeben in Geschichten, Tänzen, Liedern, Zeremonien. Oft wird in diesem Zusammenhang der Ausdruck „Dreamtime“ benutzt. Diesen hören die Ureinwohner gar nicht gern, da ihre Tradition und ihre Lebensgrundsätze etwas Reales und nichts Fiktives sind. Sie leben und lehren danach und es hat nichts mit „Träumen“ zutun. Es ist ihr religiöses Erbe. 

Im Nationalpark des Uluru liegt auch Kata – Tjuta. Wörtlich übersetzt bedeutet es „viele Köpfe“. Die 36 Bergkuppen sind nicht so bekannt wie der Uluru, aber dennoch genauso sehenswert. Auch diese Felsformation ist ein spiritueller und sehr bedeutsamer Ort für die Aborigines. 

Und dann gibt es da noch die „Sorry-Rocks“. Die Ranger haben sie so getauft. „Sorry-Rocks“ sind Steine vom Uluru, die von Besuchern mitgenommen wurden und schließlich reuevoll mit einem herzlichen Entschuldigungsschreiben zurück geschickt werden. Im Kulturzentrum liegt ein dicker Ordner mit gesammelten Briefen aus aller Welt. Soviel Bedauern in einem Ordner! Da gibt es Geschichten darüber, wieviel Unglück über die Familie gekommen ist seit der „Entführung“ der Steine und dass man hofft, dass das nun ein Ende hat mit der Rückgabe der Steine. Oder man entschuldigt sich, dass man jung und dumm war. 










Outback, die Dritte


Der Uluru! Der heilige Monolith. Das Wahrzeichen Australiens wartet auf uns (und auf 1500 andere Besucher am Tag). Nach 6 Monaten hier in Australien treten wir nun die Reise in diese Richtung an. Aber, vorher heißt es noch einige Kilometer fahren. Muss ja verdient sein. Diese einigen Kilometer sind genau genommen 3100. Die ersten 1900km davon durch die berüchtigte Nullarbor Plain. Dass sie berüchtigt ist, schlussfolgern wir nur daraus, dass jeder, dem wir von unseren weiteren Reiseplänen erzählen, wie folgt reagiert: „Wuha … ihr wollt durch die Nullarbor. Aha. Wie alt ist euer Auto? Aha. Hm. Was war schon alles kaputt? Ah ja, hm. Na dann viel Glück.“  
Vollgetankt und mit genügend Vorräten geht es los. Vorbei an Grasbüschel in unterschiedlichen Höhen und vertrockneten Bäumen und schließlich wieder Grasbüschel. Alles in allem sehr sehenswert. Straßenschilder sind sogar so sehenswert, dass es sich lohnt anzuhalten und ein Foto zu machen. Diese Schilder sind auch sehr informativ. So erfährt man zum Beispiel, dass man sich gerade auf einem Abschnitt befindet, der auch als Notlandebahn für Flugzeuge der „Royal Flying Doctors“ genutzt wird. Abenteuerlich. Aber außer der Reifenspuren unserer Vorgänger beim Ausweichmanöver haben wir keinen Beweis dafür, also kein Flugzeug entgegenkommen sehen. Desweiteren lernt man, dass hier auch neben Kängurus, Kamele und Wombats auf der Windschutzscheibe landen können. Kamele haben wir tatsächlich auch gesehen. Muss ja nicht auf der Windschutzscheibe sein. Wenn man hier so tagelang Stunde um Stunde fährt, hat man ja ein paar freie Minuten um sich Gedanken zu machen. Zum Beispiel darüber, wie ein Mensch auf die Idee kommen kann, mitten im Nichts loszuwandern und trotz der Tatsache, dass nach dem Nichts noch mehr Nichts kommt, weiter zu wandern. Und das Ganze Tag um Tag, Monat um Monat. Und dann zu entscheiden, hier könnte man doch eine Straße durch bauen. Nämlich den Eyres Highway, auf dem wir nun also unterwegs sind. Danke John Eyre.
Nach 4 Tagen Fahrt und heiß gelaufener CD-Sammlung - Whitney Houston und Co. können wir nun textsicher mitschmettern – gibt es einen Zwischenstopp in Port Augusta um alle Reserven wieder aufzufüllen. Wir mussten ja schließlich wieder an der Quarantäne-Station beim Übergang von Western Australia nach South Australia unser gesamtes Obst und Gemüse aufessen oder wegschmeißen. Wir haben uns natürlich für ersteres entschieden. Für die Mathe-Köpfe unter uns: wir brauchten 4 Tage, weil wir nur 80km/h fahren!  Gut gerüstet geht es auf den Weg für die nächsten 1200km. Die Richtung ist immer noch der heilige Uluru (bei so einer langen Fahrt kann man das schonmal vergessen). Diese Strecke ist wesentlich abwechslungsreicher. Sie folgt nämlich der Bahnstrecke des Ghan, sodass man mindestens  einmal am Tag einen Zug sieht! Und dann sind das noch Güter-Züge mit bis zu 100 Waggons (wir hatten gerade kurz Zeit, diese zu zählen). Da hat man richtig was zu gucken. Dieser Highway heißt nun Stuart Highway und gilt als Explorer’s Way. Genau. Er folgt der Route des Entdeckers John McDouall Stuart. Der erste Europäer, der den Kontinent von Süd nach Nord durchquert hat.
Gut, dass wir folgenden Abschnitt unseres Reiseführers erst gelesen haben, als wir schon unterwegs waren: „Ob von London nach Moskau oder von Perth nach Adelaide – kilometermäßig ist das kein großer Unterschied. Der 2700km lange Eyre Highway verläuft durch den südlichen Zipfel der großen Nullarbor Plain. Wahrscheinlich wollen viele Reisende die Ebene nur deshalb durchqueren, um sich zu beweisen, dass sie es schaffen. Wer sich auf den Weg macht, sollte sich auf eine fast meditative Fahrt einstellen. Man braucht tagelang und einen verdammt großen Vorrat an Wasser und jede Menge CDs … Outback Rettungsdiensten sollte man einen riesen Gefallen tun und ein paar simple Vorsichtsmaßnahmen treffen, wenn man sich in diese Ecke begibt…“